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Titel
Konrad Justinger (ca. 1365–1438). Chronist und Finanzmann in Berns grosser Zeit


Autor(en)
Jost, Kathrin
Reihe
Vorträge und Forschungen, Sonderband 56
Erschienen
Ostfildern 2011: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Oliver Landolt

Die in Betreuung des nunmehr emeritierten Berner Ordinarius Prof. Dr. Rainer C. Schwinges entstandene Dissertation von Kathrin Jost untersucht den für die Historiografie der Stadt Bern bedeutenden Chronisten Konrad Justinger; seine Darstellung der Geschichte der Stadt Bern hat die nachfolgenden Berner Chroniken in starkem Masse beeinflusst. Darüber hinaus spielte Justingers Chronik aber auch für die im Laufe des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstehende eidgenössische Geschichtsschreibung eine massgebliche Rolle, indem seine Chronik durch die verschiedensten Geschichtsschreiber rezipiert wurde und in eigene historische Werke einfloss. Die Bedeutung von Justingers Chronik und seiner Darstellung der Innerschweizer «Befreiungsgeschichte » für die Ausbildung der eidgenössischen «Befreiungstradition» wurde jüngst auch im Rahmen der neuen Schwyzer Kantonsgeschichte untersucht. 1

Kathrin Jost gliedert ihre umfangreiche, auf fundierten Quellenkenntnissen fussende Studie einerseits in eine Darstellung von Konrad Justingers Leben und andererseits in Justingers massgebliches Werk, seine von ihm im Auftrage des Berner Rates verfassten ersten «amtlichen» Chronik der Stadt Bern von den Anfängen der Aarestadt bis in Gegenwart des Chronisten. Im ersten Teil schildert die Autorin nach einer ausführlichen Besprechung des Forschungsstandes und der Quellenlage die Herkunft und Ausbildung des vermutlich aus dem niederadligen Geschlecht der Herren von Justingen stammenden Protagonisten ihrer Darstellung, wobei sie im Gegensatz zur älteren Forschung die Abstammung nicht aus der süddeutschen Stadt Rottweil vermutet, sondern diese aus einer Nebenlinie der Familie herleitet, welche im Laufe des 14. Jahrhunderts aus der Gegend um Rottweil in die Region des Breisgaus abgewandert war. Über die Ausbildung Justingers lässt sich aufgrund der Quellenlage nur wenig herausfinden, wobei Jost die durch die frühere Forschung postulierte Lehrzeit beim bekannten Strassburger Chronisten Jakob Twinger von Königshofen als wenig wahrscheinlich ansieht. Seit ungefähr um 1390 war Justinger in Bern in städtischen Diensten, sprich in der sich ausbildenden städtischen Kanzlei, tätig; in verschiedenen Urkunden wie Schuldbriefen, Kaufverträgen oder Lehensbriefen lässt sich seit dieser Zeit gemäss den Erkenntnissen von Jost seine Hand feststellen. Die in der früheren Forschung angenommene grosse Bedeutung Justingers für den Innovationsschub der Berner Kanzlei um 1400 relativiert Jost aufgrund umfangreicher Handschriftenvergleiche: Zwar hat er ein neues Satzungenbuch angelegt und seine Handschrift lässt sich auch im Freiheitenbuch ausmachen. Auch in anderen Archivalien wie beispielsweise dem Testamentenbuch lässt sich seine Hand feststellen. Doch die angeblich so bedeutende Stellung, welche gemäss älterer Forschungsmeinung Justinger in der Berner Verwaltung gespielt haben soll, lässt sich nicht mehr länger halten. Gestützt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass der 1399 zum Stadtschreiber ernannte Justinger dieses Amt nur gerade mal ein Jahr ausübte. Immerhin wurde er auch nach dem Ausscheiden aus dem Stadtschreiberamt wiederholt für städtische Missionen eingesetzt: So war er beispielsweise in der Kommission, welche den Besuch König Sigismunds 1414 in der Reichsstadt Bern vorbereitete. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der 1438 verstorbene Justinger in Zürich, wo er in bereits fortgeschrittenem Alter mit der Zürcherin Anna Wirz die Ehe einging und sogar noch zwei Kinder zeugte. Aus welchen Gründen Justinger an seinem Lebensabend der Aarestadt den Rücken zugekehrt hat, kann auch Jost aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht schlüssig klären. Immerhin lässt sich eine gewisse Verbitterung Justingers gegenüber Bern aus den erhaltenen Quellen vermuten, indem er trotz seiner geleisteten Verdienste als von auswärts Stammender nicht in die kommunale Gemeinschaft Berns integriert wurde.

Im Anschluss an die Schilderung von Justingers Leben wird ausführlich auf dessen Berner Chronik eingegangen, wobei Jost die durch Justinger benutzten Quellen, den Aufbau wie den Inhalt und die Überlieferung und Wirkung dieses Werkes behandelt. Dabei bleibt sie aber im konventionellen Rahmen und übernimmt weitgehend die bisherigen Forschungsmeinungen. Im Anhang finden sich neben Abbildungen von durch Justinger geschriebenen Texten auch verschiedene Tabellen, unter anderem die Chronik wie auch die durch Justinger ausgestellten Urkunden betreffend.

Kritisch zu vermerken ist, dass das Werk trotz der im Buchtitel erwähnten Hervorhebung Justingers als «Chronist und Finanzmann» hauptsächlich den Chronisten behandelt, was aufgrund der Bedeutung der Chronik durchaus angemessen erscheinen mag, während Justingers Aktivitäten als Finanzmann nur am Rande behandelt werden. Tatsächlich stellen sich denn auch Zweifel ein, inwiefern Justinger als «Finanzmann» bezeichnet werden kann und die durch ihn getätigten Finanzgeschäfte nicht einfach als finanzielle Transaktionen zu gelten haben, welche Angehörige höherer Gesellschaftsschichten pflegten, um ihren Lebensunterhalt mittels Rentengeschäften und anderer finanzieller Unternehmungen abzusichern. Störend wirken auch verschiedene Wiederholungen; eine Straffung des Textes hätte der Arbeit gutgetan.

Trotz dieser einzelnen Monita ist die sorgfältige, mit grosser Quellenkenntnis geschriebene Untersuchung eine sehr wichtige Arbeit, an welcher die künftige Forschung, speziell über die chronikalische Historiografie im Gebiet der heutigen Schweiz, aber auch darüber hinaus, nicht vorbeigehen kann.

1 Geschichte des Kantons Schwyz, Bd. 2: Vom Tal zum Land 1350, hrsg. v. Historischen Verein des Kantons Schwyz, Schwyz/Zürich 2012, S. 65–121, hier S. 93.

Zitierweise:
Oliver Landolt: Rezension zu: Jost, Kathrin: Konrad Justinger (ca. 1365 –1438): Chronist und Finanzmann in Berns großer Zeit. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2011. Aarwangen: Böhlen Druck AG 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 1, 2015, S. 47-49.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 1, 2015, S. 47-49.

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